Mein auf dieser Seite veröffentlichter Blog soll die Berichte in der BNN ergänzen. Es wäre also super, wenn ihr auch die lesen würdet…

Sudan ist ein spannendes Land, für uns vor allem deshalb, weil der Sudan in unseren Ländern (und allgemein in der westlichen Welt) eine sehr schlechte Reputation genießt, wir das Land aber vor Ort als sehr angenehm und die Leute als unglaublich gastfreundlich und nett empfinden. Es fällt uns auf, dass sehr viele Sudanesen, die wir kennenlernen, schon einmal in Europa, der USA oder sonstwo auf der Welt waren. Sei es im Supermarkt, im Restaurant oder auch auf dem traditionellen Markt: Überall erzählt man uns, dass man schon einmal in Deutschland oder in den USA war. Wir sind beeindruckt.
Außerdem lernen wir viele kennen, die entweder aus dem Exil in den Sudan zurückgekehrt sind und nun hier leben oder aber solche, die noch immer außerhalb des Landes leben und erst dauerhaft zurückkehren wollen, wenn sich das Regime im Sudan geändert hat.
Bei der Autowäsche, die übrigens Stunden dauert, lernt Loyal den Besitzer der Autowäscherei kennen, der im Jahre 2009 mit seiner Familie in den Sudan zurückgekehrt ist. Als junger Mann hat er in Deutschland studiert und sich danach bis zum Posten eines Abteilungsleiters bei DHL hochgearbeitet, bis er im Zuge der Wirtschaftskrise 2009 seinen Job verlor und deshalb in den Sudan zurückgekehrt ist. Seine Kinder sind darüber gar nicht glücklich. Seine Tochter ist 16 Jahre alt, läuft im Sudan völlig verschleiert herum und sehnt sich nach den Freiheiten in Deutschland zurück. Sie weigert sich, mit ihrem Vater in einer anderen Sprache als Deutsch zu kommunizieren. Der Mann trauert seinen Mitarbeitern in Deutschland hinterher: „Hier ist es sehr schwer, jemanden zu finden, der die Autos ordentlich wäscht!“, erzählt er Loyal, „Und wenn einer mal einigermaßen ordentlich arbeitet, verschwindet er nur kurz nach der Einstellung nach Europa!“ Viele der Probearbeiter seien so schlecht, dass er sie schon in der Mittagspause wegschicken muss. Loyal ist auch von der Qualität der eingestellten Mitarbeiter nicht überzeugt: Die Autowäsche dauert mehr als 3 Stunden!
Auf unserer Fahrt an die sudanesische Küste übernachten wir bei einer neu gebauten Tankstelle, die so neu ist, dass sie noch gar nicht geöffnet ist. Der „Baustellen-Verantwortliche“ ist sehr herzlich und gastfreundlich. Er besorgt uns frische Falafel und Brot aus der Stadt und kocht danach ein Essen, das er mit uns teilt. Lange unterhält er sich mit Loyal. Es stellt sich heraus, dass er zehn Jahre in den USA gelebt hat, allerdings im Jahre 2001 in den Sudan zurückgekehrt ist. „Nach dem elften September hat sich die Stimmung Ausländern wie mir gegenüber radikal geändert“, berichtet er. „Ich habe mich in den USA nicht mehr willkommen gefühlt. Viele Freunde haben sich zurückgezogen. Deshalb wollte ich dort nicht mehr bleiben und bin in mein Land zurückgekehrt.“ Er hadert mit den schwierigen Umständen im Sudan, denen auch er als Einheimischer begegnet. „Es gibt sehr viele Restriktionen und Regeln“, erklärt er uns. „Allerdings kommt das vor allem von der Regierung. Die normalen Menschen sind sehr herzlich und gastfreundlich. Solange du keine Macht hast oder für dich beanspruchst, kannst du sehr friedlich im Sudan leben! Trotzdem habe ich meinen amerikanischen Pass behalten: Dann kann ich jederzeit in die USA zurückkehren, ohne dass mich jemand aufhalten kann!“
Als wir von Port Sudan nach Khartum zurückkehren, lernen wir einen Sudanesen kennen, der immer noch in den USA lebt und darüber nachdenkt, mit seiner Familie für einige Jahre nach Deutschland zu gehen, um dort zu promovieren. „Die Unis und das Leben allgemein kostet in Deutschland weniger als in den USA.“ Wir wollen wissen, ob er plant, eines Tages in den Sudan zurückzukehren. „Nein, momentan kann ich mir das gar nicht vorstellen“, meint er direkt, „Hier im Sudan gibt es kein Recht auf freie Meinungsäußerung. Da könnte ich nicht leben. Vieles läuft hier sehr schlecht. Eine Demokratie gibt es nicht. Die würden mich hier wahrscheinlich schnell einsperren!“
Während der zwei Wochen, die wir im Sudan verbringen, lernen wir sehr viele solcher Menschen kennen. In keinem anderen Land hier in Afrika sind wir so vielen begegnet, die schon einmal außerhalb des Landes waren. Auch auffällig ist die kritische Haltung, die viele Sudanesen gegenüber der Regierung einnehmen. Während in den anderen Ländern sich alle immer nur sehr stolz auf ihr Land gezeigt und allerhöchstens allgemein auf die korrupten Politiker geschimpft haben, setzen sich hier die Menschen scheinbar differenzierter mit der Regierung und der Politik ihres Landes im Allgemeinen auseinander. Die Menschen wirken insgesamt gebildeter und haben eine wirkliche eigene Meinung, was wir in den anderen Ländern vermisst haben. Es bleibt spannend abzuwarten, wie sich die Situation und der Sudan an sich in den nächsten Jahren entwickeln werden.

 

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