Mein auf dieser Seite veröffentlichter Blog soll die Berichte in der BNN ergänzen. Es wäre also super, wenn ihr auch die lesen würdet…

Da unser Landy ja nun auf dem Roten Meer in Richtung Griechenland unterwegs ist, sind wir auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, um nach Khartum zurückzukommen, von wo aus wir nach Europa fliegen werden. „Alle Busse nach Khartum sind in den nächsten zwei Wochen ausgebucht!“, teilt uns der Rezeptionist unseres Hotels mit, den wir darum gebeten haben, Bustickets für uns zu besorgen. „Ich kann versuchen, Tickets für einen Minibus für euch zu bekommen!“, bietet uns sein Freund an, der, wie sich später herausstellt, Rikscha-Fahrer ist. Uns ist bewusst, dass die Fahrt im Minibus nicht nur eng, sondern auch sehr heiß wird, weil Minibusse keine Klimaanlage haben. Aber wir haben keine andere Wahl!
So verlassen wir schließlich pünktlich um kurz nach fünf am nächsten Morgen das Hotel und werden vom Rikschafahrer zum Busbahnhof gebracht. Eigentlich mögen wir keine Taxifahrer, haben Loyal und ich festgestellt. Wir glauben inzwischen, dass Taxifahrer keine wirklich guten Menschen sind und der Beruf viele zwielichte Gestalten anzieht. Ausnahmen bestätigen die Regel! Wir haben immer wieder festgestellt, dass Taxifahrer lügen und betrügen und vor allem Abzocke im Sinn haben. Hier in den afrikanischen Ländern genauso wie auch in Europa oder in den USA. Dort betrügen sie häufig zum Beispiel indem sie Umwege fahren, …
Obwohl wir seit einiger Zeit den Aussagen von Taxifahrern keinen Glauben mehr schenken, haben wir uns auf das „Angebot“ des Rikschafahrers eingelassen. Er war ja auch der Freund des Rezeptionisten… Hätten wir nur auf unser Bauchgefühl gehört!
Um halb sechs sind wir an „unserem“ Minibus und nehmen unsere Plätze ein. Paule ist gut versteckt in seinem Rucksack, den wir schon für den Flug besorgt haben. Auch zu dieser Uhrzeit sind es schon etwa 30 Grad und es ist nicht leicht, vor allen anderen Fahrgästen zu verbergen, dass wir einen Hund dabei haben. Im Sudan, wo die Menschen alle sehr muslimisch sind, mögen die meisten keine Hunde, geschweige denn, dass sie mit ihnen zusammen in einem Bus unterwegs sein wollen. Uns ist klar, dass Paule in sudanesischen öffentlichen Verkehrsmitteln offiziell keine Chance hätte. Da wir aber keine andere Wahl haben, um nach Khartum zu kommen, müssen wir ihn im Rucksack „schmuggeln“. Nachdem wir noch Passkopien und Kopien unserer Reiseerlaubnis abgegeben haben, dürfen wir im Bus Port Sudan verlassen. Nun wird es langsam richtig hell und mit der Sonne kommt die Hitze. Paule ist nun definitiv nicht mehr im Rucksack zu halten. Einige Mitreisende sehen ihn und schütteln pikiert die Köpfe. Aber sie verraten uns nicht an den Busfahrer. Paule liegt nun auf seinem Rucksack auf meinen Beinen und das für die nächsten 14 Stunden. Der Schweiß läuft an meinen Beinen herunter. Sobald ich das Fenster öffne, wird es noch heißer. Der Fahrtwind ist wärmer als die Temperatur in unserem überladenen Kleinbus. Ständig müssen wir Polizeikontrollen passieren. Jedes Mal versuche ich Paule unter seiner Hundedecke zu verstecken, damit wir keine Probleme bekommen, denn für ihn haben wir keine Reiseerlaubnis (falls es das für einen Hund überhaupt gibt).
Nach einer guten Stunde Fahrt hören wir plötzlich einen lauten Knall. Der Busfahrer entschleunigt und fährt an den Straßenrand. „Das hört sich an, als sei das Getriebe gerade kaputtgegangen“, meint Loyal leise zu mir, „Das kann man so schnell nicht reparieren!“ Ich schaue aus dem Fenster: Weit und breit ist nur Wüste zu sehen. Ich sehe uns vor meinem inneren Auge schon am Straßenrand stehen und auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Aber mit Paule würde uns niemand mitnehmen. „Hoffentlich kann der Bus irgendwie weiterfahren. Hier mitten in der Wüste kommt doch nie ein leerer Bus vorbei, der uns weiterbringen würde!“, davon bin ich überzeugt. Die Männer beratschlagen und danach setzen wir uns tatsächlich wieder in Bewegung – nur eben sehr, sehr langsam. Der Busfahrer kann – wenn überhaupt – nur sehr langsam und vorsichtig die Gänge wechseln. Immer wieder müssen wir anhalten!
Den Rest der Strecke tuckern wir mit etwa 60km/h dahin und kommen so gut wie gar nicht vorwärts. Gegen 16 Uhr sind in Atbara, also auf etwa halber Strecke bis Khartum. „Hier ist Endstation“, erfahren wir von den Mitreisenden. „Und wo geht es jetzt weiter nach Khartum?“, wollen wir vom Fahrer wissen. „Da drüben ist der offizielle Busbahnhof. Da fährt der Bus nach Khartum ab“, erfahren wir, bevor sich der Mann samt Bus davonmacht.
Trotz der höllischen Hitze verfrachten wir Paule wieder in den Rucksack. Hunde dürfen nicht einmal in den Busbahnhof. Schwer bepackt machen wir uns auf den Weg. „Warte hier“, meint Loyal dann zu mir, „Ich versuche herauszufinden, wo der Bus abfährt!“ Während ich mit Paule im Rucksack in meinen Armen warte, läuft mir der Schweiß in Bächen den Rücken herunter. Ständig will mir einer der fliegenden Händler etwas verkaufen. Es ist langsam fast unmöglich, Paule weiter zu verstecken, weil auch ihm heiß ist und er sich unaufhörlich in seinem Rucksack dreht. Mir ist klar, dass, wenn jemand Paule entdeckt, gleich ein riesiger Aufruhr entstehen würde, weil hier alle immer, sobald sie unseren Hund sehen, zusammenlaufen und ihn betrachten wollen. Ähnlich wie wenn jemand in Deutschland einen Affen oder einen Koalabären im Rucksack dabei hätte. Während ich also versuche, Paule so unauffällig wie möglich in dem von ihm bewegten Rucksack zu halten, erfährt Loyal Folgendes: Unser Ticket ist gar nicht bis Khartum gültig, sondern nur bis Atbara. Der Rikschafahrer hat uns angelogen. Und da das Ziel nur auf Arabisch auf dem Ticket steht, haben wir das bisher nicht gemerkt. Noch schlimmer ist allerdings, dass sich alle Ticketverkäufer weigern, Loyal ein Ticket zur Weiterfahrt nach Khartum zu verkaufen!
Ein anderer Reisender hat mitbekommen, dass wir völlig verzweifelt sind und will uns helfen. Zehn Minuten später kommen beide frustriert wieder: Der Mann kann nicht glauben, was er gerade selbst erlebt hat, nämlich die Tatsache, dass alle sich weigern, Loyal ein Ticket nach Khartum auszustellen. Und das, obwohl bisher noch niemand Paule entdeckt hat.
Langsam spricht sich herum, dass die „komischen Touris“ vor dem Hintereingang Probleme haben. Ein junger Mann hört vom Betrug mit dem falschen Ticket und will uns helfen. „Es gibt noch kleine Autos, die in drei bis vier Stunden in Khartum sind. Allerdings kostet die Fahrt 100 SD (Sudanesische Dollar) (etwa 12€). Mein Freund hier bringt euch hin. Aber bezahlt auf keinen Fall mehr und gebt das Geld nur direkt dem Fahrer, niemand anderem!“ Dieser Tipp stellt sich als sudanesisches Äquivalent zur deutschen Mitfahrzentrale heraus. Privatleute, die in die Hauptstadt wollen, nehmen auf den freien Plätzen Reisende mit. Am Abfahrtsort wartet ein Fahrer auf Mitfahrer. Er will für Loyal und mich allerdings 240 SD haben. Loyal rastet nun aus. Er erklärt ihm, dass wir uns nicht mehr verarschen lassen, dass wir eigentlich schon ein Ticket nach Khartum gekauft hätten, aber betrogen wurden und dass uns nun gesagt wurde, dass wir auf keinen Fall mehr als 200 SD zahlen sollten. „Ich will nur noch ehrliche Leute!“, endet er resigniert, „Wenn du nicht ehrlich bist, dann kannst du gehen!“ Der gläubig wirkende Muslim ist von Loyals Rede total geschockt. So offen spricht man hier normalerweise nicht. Er dreht sich um und fährt tatsächlich weg! „Ja geh nur, wenn du nicht ehrlich sein willst!“, ruft Loyal ihm hinterher. Inzwischen hat sich eine kleine Menge um ihn herum versammelt. Ich versuche mich etwas abseits zu halten, weil Paule inzwischen kaum noch im Rucksack zu halten ist und mir klar ist, dass es in einem Privatauto so gut wie unmöglich ist, einen Hund zu transportieren.
Wieder kommt ein Auto, diesmal nur halb so groß wie das letzte. Man einigt sich, wir steigen ein. Der Fahrer ist sehr gläubig, der Koran liegt neben dem Lenkrad. Wir sitzen gequetscht zu dritt auf der Rückbank. Der Mitfahrer auf dem Beifahrersitz vor mir dreht sich zu mir um: „Wie geht´s deinem Baby??“, will er wissen, „Ist das ein Sudanbaby?“ „Der denkt, ich habe ein Baby dabei“, raune ich Loyal zu, „Oder meinst du, der will mich nur verarschen und hat Paule schon gesehen?“ „Ich habe keine Ahnung“, flüstert Loyal zurück. Paule hat nun endgültig genug und jault: Ich muss ihn aus dem Rucksack lassen. Der andere Mitfahrer auf der Rückbank sieht seinen Kopf: „Ist das ein Hund?“, will er wissen. Wir sind erleichtert, dass er lächelt. Weil wir nicht wissen, wie der Fahrer reagieren wird, wenn er Paule sieht, muss Paule trotzdem im Rucksack bleiben und darf nur seinen Kopf herausstrecken. Glücklicherweise hat das Auto eine Klimaanlage und die Hitze ist erträglich.
Als es ans Bezahlen geht, gibt Loyal dem Fahrer 200 SD. Der Mann neben uns zahlt 120 SD. Der Fahrer sagt etwas zu uns, aber schon redet der Beifahrer auf ihn ein. Schließlich zahlt er für uns mit und gibt ihm 160SD. Mir ist das total unangenehm. „Wahrscheinlich ist 120 SD wirklich der normale Fahrpreis und du hast den anderen Fahrer total angemacht!“, sage ich leise zu Loyal. Naja, wir können es nun nicht mehr ändern. Nett, dass der Beifahrer Mitleid mit uns hat und unsere fehlenden 40 SD mitbezahlt hat.
Als wir eine Pause machen, dreht sich der Beifahrer zu mir um: „Das ist aber ein liebes Baby, das schreit gar nicht!“, meint er. Hilflos schaue ich Loyal an, der lächelt.
Nach einer weiteren Stunde Fahren, werden wir bei einer Polizeikontrolle herausgewunken. Wir müssen unsere Ausweise zeigen. „Und was hat die da noch dabei?“, sagt der Polizist und zeigt auf mich. „Oh, das ist nur ihr Baby!“, beeilt sich der Beifahrer zu sagen. Mein Herz bleibt stehen. „Was soll ich nur tun?“, frage ich Loyal leise. Der zieht die Decke von Paules Kopf: „Hundebaby!“, sagt er lächelnd zum Polizisten. Der schaut ein wenig skeptisch, aber wir dürfen weiterfahren. Die Stimmung danach im Auto ist eisig. Es dauert bis zu den Toren Khartums, bis die anderen wieder mit uns sprechen. Glücklicherweise hat man uns nicht aus dem Auto geworfen. Dankbar schenkt Loyal dem Fahrer beim Abschied seine Sonnenbrille und nun lacht der Mann auch wieder. Man merkt richtig, dass er sich freut.
Es ist fast halb neun, wir sind todmüde aber heilfroh, es bis Khartum geschafft zu haben!

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