Mein auf dieser Seite veröffentlichter Blog soll die Berichte in der BNN ergänzen. Es wäre also super, wenn ihr auch die lesen würdet…

Als wir uns um halb neun mit Omer unten vorm Haus treffen (das Haus hat insgesamt vier Stockwerke!), geht es mir immer noch nicht besonders, aber die Aussicht auf ein gutes Abendessen hat mich erneut in die Hitze vors Haus gelockt. „Es gibt eine Planänderung“, teilt uns Omer gleich mit, „Meine Mutter will auf eine Hochzeit und ich dachte, das ist sehr interessant für euch. Da seht ihr dann, dass hier im Sudan nicht alle Frauen immer verschleiert sind!“ „Und was ist mit essen?“, hakt Loyal vorsichtig nach. „Zu essen und zu trinken gibt´s auf der Hochzeit auch, sogar kostenlos!“, informiert uns Omer. Na, das hört sich ja gut an. Auf dem Weg zu der Feier, die in einem großen Zelt mitten auf einem Platz stattfindet, erklärt uns Omer, dass Hochzeiten im Sudan immer von 21-23 Uhr stattfinden. „Wer länger feiern will, braucht eine Genehmigung von der Regierung und das wird meist teuer!“ Wir sind überrascht: Zweistündige Hochzeitsfeiern gibt es unseres Wissens nach in unserer Welt eher nicht.
Als wir das große Zelt betreten, empfängt uns angenehme Kühle: Das Zelt ist innen nicht nur auf dem Boden, sondern auch an den Seitenwänden mit Teppichen ausgelegt. Außerdem sind mehrere Klimaanlagen eingebaut. An allen Seiten sind große Bildschirme installiert, auf denen man sieht, was die beiden Filmleute gerade im Fokus haben: Sie laufen die ganze Zeit umher und filmen die Gäste. Auch wir sind zu meinem großen Schreck irgendwann dran. Am hinteren Teil des Zeltes ist eine Art Bühne aufgebaut, wo eine Sängerin und etwa 4 weitere Musikerinnen sitzen und auf ihren Einsatz warten. Richtig los geht es nämlich erst um 22 Uhr. Bisher sind wir fast die einzigen, die schon im Zelt sitzen.
„So eine sudanesische Hochzeit kostet mehr als 10 000 Euro“, erklärt uns Omer, „Da müssen die Männer lange sparen, bis sie das bezahlen können!“ Alleine die „Band“ bekommt wohl für eine Stunde Musik schon 700 €.
Gegen zehn kommen immer mehr Gäste. Die jungen Mädchen (13 Jahre aufwärts) haben sich enorm in Schale geworfen. Sie sind sehr auffällig geschminkt und sexy gekleidet. Einige haben ihr Kopftuch nur locker übergeworfen und lassen es während der Hochzeitsstunde langsam den Kopf herunterrutschen, andere tragen gar kein Kopftuch. „Manche Väter wollen sogar, dass ihre Töchter ohne Kopftuch auf Hochzeiten gehen. Sie sollen dort einen Mann finden!“ Das Konzept scheint aufzugehen: Einige junge Männer haben sich schon an die Frauentische getraut. Es wird geflirtet, was das Zeug hält. Als die Band zu spielen beginnt, ist die Tanzfläche nach nur einer Minute voller Männer! Unglaublicherweise sind es hier nämlich die Männer, die vor allem tanzen und so versuchen, die zuschauenden Mädchen heiß zu machen! Ihr tanzen besteht in einem Auf- und Abschwingen des Oberkörpers, währenddessen sie eine Hand in die Luft strecken. Es sieht ganz anders aus als bei uns. Da es der Abend des Ehemannes ist (es gibt auch ein weiteres Fest für die Braut und natürlich ein Fest für beide), wird der Ehemann gefeiert. Seine Freunde tragen ihn auf den Schultern herum, manchmal heben ihn auch mehrere Männer gleichzeitig in die Höhe.
Loyal und ich sitzen in der hintersten Ecke und hoffen, dass uns niemand richtig bemerkt. Irgendwie fühlen wir uns völlig fehl am Platz. Hinter uns sitzen die schlecht erzogenen Kinder (nur die Jungen), die uns mit Steinen bewerfen und ärgern. Wieder einmal stellen wir fest, wie unerzogen viele Kinder hier sind. Sobald der Vater auftaucht, kuschen sie, solange sie sich aber von ihren eigenen Eltern unbeobachtet fühlen, sind sie unmöglich! Loyal und ich haben riesigen Hunger und Durst. Ich bin immer noch völlig dehydriert und kann mich kaum auf den Beinen halten. Leider ist von Essen oder Getränken im Zelt keine Spur. Da Omer uns verlassen hat, um seinen Freund zu treffen, haben wir auch keine Chance, woanders auf Getränkesuche zu gehen. Um Viertel vor elf tragen plötzlich einige Leute Styroporschachteln ins Zelt und verteilen sie. Darin befinden sich zwei sudanesische Süßigkeiten, eine eingelegte Gurke, ein Stück Fleisch, ein kleiner in Plastik verpackter Kuchen und ein Stück Weißbrot. Dazu bekommen wir eine Dose Sprite. Das ist das ganze Hochzeitsmahl. Das Essen kann unseren großen Hunger kaum stillen, die Sprite den Durst nicht löschen. Aber es tut gut, überhaupt etwas in den Magen zu bekommen. Die Leute essen den Inhalt der Styroporschachtel auf und stehen danach auf: Das Fest ist vorüber. Es ist 23 Uhr. Das Licht geht aus, die Musik hört auf zu spielen und alle verlassen das Zelt. Wenig Zeit, um wirklich seinen zukünftigen Partner kennenzulernen. Aber am nächsten Tag findet bestimmt wieder eine Hochzeit statt.
Loyal und ich sind so fertig, dass wir Omers Angebot, noch woanders etwas zu Abend zu essen, ausschlagen und gleich zurück in unser klimatisiertes Zimmer wollen. Wir fallen beide wie ein Stein ins Bett und schlafen ein. Am nächsten Tag müssen wir früh raus, weil wir uns offiziell registrieren lassen müssen.

 

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