Unser Afrikatrip ist so gut wie vorbei. Es bleiben noch drei Tage, bevor wir im Flieger von Khartum nach Frankfurt sitzen werden. Unser Auto ist mit mehr oder weniger großer Sicherheit auf dem Weg nach Griechenland, von wo aus es durch Osteuropa nach Deutschland geht.
Was bleibt zu sagen?

Es ist ein komisches Gefühl, nun nach mehr als zehn Monaten diesen Kontinent zu verlassen. War ich auch oft (vor allem in Westafrika) kurz davor aufzugeben, alles hinzuschmeißen und zurückzufliegen, so frage ich mich nun, was als nächstes kommen wird.

Afrika ist ein ganzer Kontinent, 31 Länder haben wir auf dieser Reise durchfahren. Viele Menschen haben wir kennengelernt. Begegnungen, die mich und sicherlich auch mein weiteres Leben, mein Denken und Verhalten mitprägen. Manchmal mehr als mir lieb ist. Ich habe seit Dezember ohne Uhr gelebt. Wird das in meinem restlichen Leben überhaupt je wieder möglich werden? Will ich, dass es möglich wird? Diese Frage ist zur Zeit die führende in meinem Kopf: Was will ich in mein „deutsches Leben“ hinüberretten, welche Gedanken und Verhaltensweisen will ich beibehalten? Was möchte ich lieber wieder „abwerfen“?

Ich habe irgendwie das Gefühl, eine andere geworden zu sein und doch bin ich mir selbst dabei treu geblieben. Ich habe ganz neue Dinge an mir entdeckt: Beispielsweise freue ich mich darauf, meine eigene Wohnung zu haben à la „Wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden!“ Mir ist aufgefallen, dass mir Sauberkeit und Hygiene wichtiger sind, als ich dachte und dass ich eigentlich kein „Dauer-Reisemensch“ bin. Wir haben Menschen getroffen, die seit drei Jahren und mehr „on Tour“ sind, die dabei vor allem auf Campingplätzen leben und ständig neue Leute kennenlernen. Menschen, die ohne viel Privatsphäre und ohne ein eigenes „Heim“ leben können. Ich weiß jetzt: Das kann ich nicht! So sehr ich es genieße, unterwegs zu sein und Neues zu erleben, so sehr hat es mir in diesem Jahr gefehlt zu wissen, wo mein räumliches „Zuhause“ ist. Eine Wohnung aufzulösen ist vor einer solchen Reise sicherlich praktisch und finanziell förderlich, allerdings habe ich mich so der Möglichkeit beraubt, mich in manchen Momenten in meinem Kopf an mein Zuhause erinnern zu können, zu wissen, wo ich nach meiner Reise landen werde. Wenn ich noch einmal eine solche Tour unternehmen sollte (und das schließe ich nicht aus ;-), werde ich auf keinen Fall meine feste Wohnung aufgeben. Es war mir im Vorfeld nicht bewusst, dass ich so sehr ein räumliches Zuhause brauchen würde.
Was die Sauberkeit angeht, freue ich mich darauf, endlich meine Sachen wieder in einer Waschmaschine waschen zu können. Auf der ganzen Reise hatte ich nur selten das Gefühl, dass meine Kleidung sauber war. Alles ist irgendwie schmuddelig, die Handwäsche trägt meistens höchstens zu einem sauberen Geruch und einem angenehmeren Gefühl bei. Es fehlt mir aber, mich ordentlich mit wirklich sauberen Klamotten kleiden zu können, zu kombinieren, schick auszugehen, Sportkleidung zu tragen etc. Hier geht es vor allem darum, praktisch angezogen zu sein und sich an das jeweilige Klima, die Religion, etc anzupassen. Ich habe fast ein Jahr lang jeden Tag Flip-Flops getragen, was klimatisch ganz nett ist, aber mir fehlt die Abwechslung. Dafür bin ich zu sehr die verwöhnte Westlerin.
Ich freue mich auch wieder darauf, Feste zu feiern. Das heißt nicht, dass das auf einer solchen Reise nicht möglich wäre. Da man aber im Vorfeld nie genau weiß, wo man gerade sein wird, wenn z.B. Weihnachten, Silvester, … stattfindet, kann man nichts planen. Von schick machen zu einem solchen Fest ist erst gar nicht die Rede. Unsere Geburtstage haben wir größtenteils im Auto verbracht, in Loyals Fall sogar weit entfernt von einem Restaurant oder ähnlichem. Man mag meinen, wir haben auf einer solchen Reise ja viel Zeit, um Überraschungen für den anderen vorzubereiten. Aber weit gefehlt: Auf der einen Seite ist man ständig mit der Reiseplanung und dem Fahren beschäftigt, auf der anderen Seite sind wir 24 Stunden täglich zusammen, da ist es sehr schwer, etwas vor dem anderen geheim zu halten.

Ich freue mich darauf, wieder einen Alltag zu haben. Montag schon zu wissen, was Freitag passieren wird. Dann kann man sich auch wieder auf die Besonderheiten freuen. Es ist toll, ein Leben zu leben, in dem jeder Tag besonders wird, jeden Tag etwas anderes los ist und man nie weiß, was auf einen zukommen wird. Das ist auf der einen Seite sehr spannend, auf der anderen Seite aber auch sehr anstrengend. Es impliziert nämlich, dass man morgens nie weiß, ob man abends ankommen wird. So ein Leben ist abenteuerlich, aber Abenteuer verlangen eine andere Energie als der Alltag. Weil es gerade in Westafrika sehr abenteuerlich war, waren wir dort bald ausgebrannt und konnten nicht mehr. Es ist gut, wenn es Konstanten im Leben gibt, an denen man sich orientieren und festhalten kann. Für Loyal war dies u.a. unser Landy. Ich selbst bin aber mehr an Menschen und Orten orientiert und habe an manchen Tagen deshalb sehr mein Zuhause vermisst.

Es ist toll, wenn man einen Partner hat, mit dem man eine solche Reise antreten kann. Jeden Tag von morgens bis abends zusammen zu sein, ist wirklich eine Herausforderung, die wir, finde ich, ganz gut gemeistert haben. Was man bei so einem engen Zusammenleben nicht unterschätzen darf, ist der Einfluss, den der andere auf das eigene Leben, Verhalten und vor allem das eigene Denken nimmt. Während unserer langen Autofahrten hatten wir viel Zeit zu reden. Auffälligerweise haben sich unsere Meinungen dabei sehr angenähert, so dass ich heute sagen kann, sagen muss sogar, dass ich, was diesen Kontinent betrifft, mit Loyal bei fast allem einer Meinung bin. Wenn ich das kritisch sehe, frage ich mich, welche von diesen (heute meinen) Gedanken wirklich von mir kommen und welche einen großen Teil von Loyals Gedanken abbilden. Ich lechze förmlich danach, mich auch wieder mit anderen Menschen unterhalten zu können, vor allem, alleine Gespräche zu führen, ohne dass Loyal dabei ist. Nicht, weil ich keine Zeit mehr mit meinem Mann verbringen will, sondern vielmehr, um herauszufinden, wo Astrid aufhört und wo Loyal anfängt. Man wird stellenweise regelrecht wie zu einer Person, tut das gleiche, isst das gleiche, unternimmt das gleiche, entscheidet das gleiche. Und am Ende denkt man dann auch das Gleiche. Das ist faszinierend und erschreckend zugleich. Es ist eine Symbiose, die als solche nicht angestrebt ist, die aber sicherlich oft bei Paaren, die viel Zeit nur miteinander verbringen, eintritt.

Ich bin mir jetzt schon sicher, dass mir die Zeit in Afrika fehlen wird und ich wehmütig sein werde, wenn ich die Fotos anschauen werde. Ich werde auch die vielen tollen Menschen, die wir auf unserer Reise kennengelernt haben, vermissen. Auf der anderen Seite machen mich meine Erlebnisse reicher und hoffentlich auch stärker, um bestimmten Dingen im Alltag, in meinem Leben in Deutschland besser begegnen zu können. Dazu gehört zum Beispiel das Arbeitsleben in Deutschland, das verglichen mit anderen Ländern sicherlich mit eines der härtesten in der Welt ist. In Deutschland wird allgemein viel verglichen, werden Menschen und ihre Arbeitsergebnisse verglichen. Ich bin im letzten Jahr geschont worden, weil es in Afrika nicht nur unüblich ist, seinem Gegenüber direkte Kritik zu äußern, sondern mich auch kaum jemand gut genug kennengelernt hat, um mich als Person kritisieren zu können. In Zukunft wieder täglich mit den gleichen Menschen zusammenzuarbeiten, wird dazu führen, dass ich enger mit Menschen zusammenkomme, wird mich aber auch stärkerer Kritik aussetzen, mit der ich umgehen lernen muss. Hier auf der Reise werden wir überall, wo wir hinkommen, bewundert und mit großen Augen angestarrt. Wir sind die großartigen Westler, die aus Deutschland bis nach Afrika gefahren sind.
Diesen Vorschuss, etwas „Besonderes“ zu sein, hat man in Deutschland in der Art nicht. Auch in Deutschland haben Leute Respekt vor dem, was man gemacht hat (Reisen, …). Auf der anderen Seite zählen Dinge wie Schulabschluss, Arbeitsposition, Leistung, … auch sehr viel. All das ist hier auf dieser Reise weitgehend uninteressant. Bis auf die Grenzbeamten interessiert sich kaum jemand dafür, was ich ihm „wahren Leben“ mache. Hier bin ich einfach die, die mit dem Landrover um den afrikanischen Kontinent herumfährt und das ist irgendwie sehr einfach.

Nun bin ich sehr gespannt, wie die Rückkehr und die Eingewöhnung in Deutschland wieder werden wird. Vor allem wird es spannend zu sehen, wie der Rest der Reise durch Osteuropa verlaufen wird.

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